Mein innerer Garten·


Ausnahmsweise ist es kein Text von mir. Ich hab ihn vor einigen Jahren in einer Zeitschrift gefunden und dann abgeschrieben. Es ist ein Dialog zwischen dem Kompass und dem ICH. Der Autor heißt Wolf Ortbauer und er nennt den Text "Expedition".

(Veröffentlicht mit der Erlaubnis des Autors und ein Dankeschön an ihn)
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Die Erinnerung kommt.

Meine Flucht vor versteinerten, verstopften Städten, mit herabregnenden Menschen, Vorzeichen einer von einer geistigen Klimaveränderung verursachten Flut, war zu einer spontanen Expedition geworden.

 

Keine vorbereitete Reise also, gut, noch der richtige Weg.

“Nein“ , liest der Kompass meine Gedanken, „ wir haben keinen Weg. Wege sind Verführer, von anderen angelegt, um dich zu deren Zielen zu locken. Wenn du glaubst, du kannst nicht weiter, bist du auf deiner eigenen Spur. Schau sie dir nur an, die glatten Plätze und Einbahnstraßen, vor und zu Einkaufskatakomben, Veranstaltungshangars, Wirtschafts- und Bürowalhallen, Kirchen und Konsumtempeln.

 

Fallen!

Zielpunkt für Verlorene. Haltlos rutscht du in das Maul des gefräßigen Monsters.

 

Warum wohl werden immer mehr dieser Menschenfallen angelegt? Warum wird dir Natur, dein Schutz, deine Tarnung und Zuflucht beseitigt? Um uns vom Wahren weg und zu Waren hinzulocken, werden Kultplätze der Oberflächlichkeit geschaffen.

Steh auf! Wir haben einen Garten zu bestellen. Hier und Jetzt! Erst dann können wir weiter.

 

Magie, Magie- murmle ich vor mir hin. “Ein schönes Mantra“ , lacht Kompass:„ Es wird dir nichts nützen.“ Er drückt mir ein Stück Wurzelholz in die Hand. „Natur erfordert natürliche Werkzeuge“, und heißt mich den Boden umzugraben.

 

“Mit Regenbögen lässt sich hier nichts ausrichten?“ bemerke ich nach einer Stunde schweißtreibenden Herumharkens.

“Nein, Regenbögen sind Wasser und Lichtwerkzeuge. Erde braucht was Handfestes, Regenwürmer statt Regenbögen. "Ich grabe weiter um wie ein Regenwurm. Tief graben, die Erde fruchtbar machen. Das geht nur im Innersten. Dort nur findet Verwandlung ihren Anfang. Das Heilende, das Lebende, das Blühende, das stets neu Werdende, immer Hoffende entsteht im eigenen „inneren Garten“.

Ich spüre, was meine erste „Überlebensübung“ mir beibringen will:

Weg gehen aus versteinerten Gegenden und erstarrten Denkmallandschaften ist notwendig.

Es hat aber nur Sinn, wenn in der eigenen Landschaft sofort Humus gebildet und besät, die eigene Natur wieder geschaffen wird.

Das kleinste Gänseblümchen, das bescheidenste Heilkraut wird deine Rettung, dein gelobtes Land, ein Land der Auferstehung. Und den Kubikzentimeter Erde in dir musst du immer wieder neu bestellen und verwildern lassen zu Urlandschaften, in denen du verschwinden und genesen kannst, bis der Drache dich erneut aufspürt. Dann ist es gut ein Gänseblümchen als Schwert bei der Hand zu haben und Arnika gegen die Wunden. Was spricht da in mir? “Du hältst einen Dialog mit den Gänseblümchen“, feixt Kompass. Du hast es begriffen, was es heißt sich auf eine Expedition zu begeben in ein Land, das du schon kennst, aber das du eigens neu erfinden musst, um es zu finden und dich darin zurechtzufinden.

Denk an die Ameise, die Material für ihren Ameisenhaufen sammeln muss, ohne in die Falle des Ameisenbären zu gehen. Die Welt ist ein Wald, ein bezaubernder.“

Die Kinder des Dorfes stehen um mich herum, wippen und wetzen und schauen neugierig auf uns und das umgegrabene Stück Erde. Sie halten uns mit offenen Händen Samenkörner und Setzlinge hin. Auch einige der seltsamen Tiere traben heran, Phantasiekreaturen, wie sie nicht einmal Märchenbücher beherbergen.

 

„Nimm und sä!“, Kompass deutet auf offene Kinderhände und wir greifen nach Samen und Pflanzen und bestellen unsere frisch umgegrabene Erde .

„Es wird nicht immer Frühling bleiben , es wird noch beschwerlich werden“, meint Kompass, „aber unser erster Garten ist angelegt, wir können weitergehen. Immer wieder werden wir säen, ernten , fühlen, ahnen, weitergehen…….. So ist das mit dem Garten Eden, der uns gehört und auch nicht.“Er reicht mir einen Paradeiser. „ Eine kleine Stärkung vor dem Aufbruch, du wirst Kraft brauchen die nächsten Tage. Wir müssen durch Flüsse, in die Berge. „ Er deutet nach oben. Erst jetzt seh ich einen mächtigen Vulkan, eingebettet in ein schneebedecktes Gletschermassiv, über den Urwald aufragen. Mein wohliges Gefühl verfliegt, mir wird unheimlich zumute. Ein dumpfes Grollen rollt heran, ein Gewitter zieht herauf, der Wind wird stürmisch. Kompass nimmt mich an der Hand. „Lass uns aufbrechen!“


Wolf Ortbauer

 

Kommentare: 1
  • #1

    Wolfgang Wallner-F. (Dienstag, 10 März 2015 12:32)

    DIE MUSIK IN UNS - IN MIR hat mir sehr gefallen. Das heißt nicht, dass mir sonst nichts gefiel, im ersten Augenschein sogar sehr viel. Liebe Grüße Wolfgang