Einmal anders

Ich nehme euch heute mit auf eine Reise.

Ich erzähle sie  nicht, wie sonst immer mit Bildern, die mein Fotoapparat eingefangen hat, sondern in Bildern , wie ich sie in mir abgespeichert habe.

Es hat einen besonderen Grund: Ich habe wieder einmal ohne „Licht“ fotografiert, dh. die Speicherkarte blieb im PC stecken, auf halber Strecke kam ich drauf.


Ich lade euch ein, mich auf diesem Weg entlang der Steyr zu begleiten.


Das Auto parke ich nach der Brücke in Neuzeug, für alle die ortskundig sind. Dann geht es flotten Schrittes links weg Richtung Gleise der Steyrtalbahn. Ein Durcheinander von Vogelstimmen begrüßt mich, das immer lauter wird je näher ich den Konglomeratfelsen komme, in denen es genug Möglichkeiten gibt sich zu verstecken oder hoch in den Bäumen auf mich herunterzuschauen. Es ist ein gemischter Chor in allen Stimmlagen. Die einen ein bisschen schrill, die anderen wiederum fordernd , einmal die Melodie von oben nach unten, dann in die andere Richtung. Für einen Moment, an dem ich direkt am Schauplatz vorbeigehe, wird der Gesang leiser, ein paar Vögel machen eine Pause. Ich freue mich an diesem schönen Lied. Ich kann euch nicht die Namen der Sänger nennen, aber ist das wirklich wichtig, wenn ein Lied gemeinsam gesungen wird? Auf die Harmonie kommt es an, auf den Zusammenklang. Und in der Natur gibt es kein falsch zwitschern, oder zu laut oder zu leise, zu langsam oder zu schnell, zu tief oder zu hoch, zu brummig oder zu schrill. Es ist das perfekte Konzert, eine harmonische Choreografie.

Links von mir fließt die Steyr sehr ruhig dahin. Nichts weist auf Schneeschmelze hin, der Wasserstand ist sehr niedrig. Plötzlich streichen zwei Graureiher im synchronen Flug über mir vorbei. Ich beobachte sie, bis sie an der nächsten Biegung aus meinem Sichtfeld sind. Mein Blick daher wieder in Gehrichtung. Die Schiene verläuft gerade bis sie am Horizont eine Biegung macht und mir die weitere Sicht versperrt. Es erinnert mich an meinen persönlichen Weg. Er verläuft nicht immer gerade, ich sehe auch nicht immer mein Ziel, trotzdem gehe ich weiter im Vertrauen, dass da etwas ist, das Ziel sein kann, und dass der Weg weitergeht,.

Dann werden meine Gedanken von einer Motorsäge gestoppt. Arbeiter der Museumsbahn entfernen einen mächtigen Haselstrauch, der sich mitten im Hang aus dem Boden gelöst hat und die Gleise blockiert. Ich höre die kurzen Kommandos , passiere die Traisine und wähle dann den Weg links in das Augebiet. Das leise Murmeln des Wassers begleitet mich. Der Bärlauch wächst hier verschwenderisch, ich pflücke Lungenkraut und Huflattich, Buschwindröschen sind erst im Aufblühen. Die Leberblümchen blühen nicht nur in diesem intensiven Blau, sondern auch in Weiß. Da die Bäume unbelaubt sind fallen mir heute die Lianen besonders auf. Sie hängen ganz dicht, bilden sogar an einer Stelle einen Unterstand mit Eingang. Ein paar Schritte weiter kreuzen zwei Lianen den Pfad in einer unendlichen Acht. Und immer wieder das intensive Grün des Bärlauchs, das mein Auge anregt. Immer weiter gehe ich bis ich auf eine alte Buche treffe. Ihr Stamm verzweigt sich in Brusthöhe. Ich bleibe stehen, lehne mich an und verweile. Ich schließe die Augen und höre einfach nur hin..
Es tut gut nichts zu tun… einfach nur dazustehen und den Baumstamm in meinem Rücken zu spüren. Die Gedanken verbindend mit der Wesenheit Baum, dem Energiestrom, den ich spüren darf.
Menschsein: Die Wurzeln fest verankert in der Erde, die Äste, die Krone dem Licht, dem Unendlichen entgegengestreckt und beide Ebenen verbunden durch das Herz.


Weiter geht mein Weg und ich biege kurz ab zum Wasser. Ein Schwarm Wildenten fliegt kreischend auf, ich habe sie gestört.

Ich gehe noch ein Stück bis ich wieder auf die Schienen treffe und mache mich auf den Rückweg. Im Schienenbett wachsen ein paar kräftige Rosetten der Königskerze und der Kratzdistel, sie lieben diesen schottrigen Boden. In ein paar Wochen werden sie in voller Blüte stehen und uns mit ihren intensiven Farben erfreuen.
Noch schnell abgezweigt in die Au um Bärlauch für die nächsten paar Tage zu pflücken. Da, wo ich zu pflücken beginne, finde ich ein kleines Vogelnest. Es ist sicher vom Vorjahr, denn das Nistmaterial ist nicht frisch und es ist in Auflösung begriffen. Der Duft des Bärlauchs in der Stofftasche begleitet mich dann bis zum Auto. Als ich einsteigen will, werde ich nochmals auf die zwei Silberreiher aufmerksam, die dieses Mal die Steyr aufwärts fliegen. Ich beobachte sie, bis sie nur mehr schwarze Punkte sind.

Ich habe mich nicht geärgert, weil die Kamera nicht einsatzbereit war. Es war eine Möglichkeit dieses Mal mit meinem inneren Auge alles aufzunehmen und euch auf diese Weise zu meinen Bildern zu führen.

6.4.2013

Kommentare: 1
  • #1

    Wolfgang Wallner-F. (Dienstag, 10 März 2015 12:32)

    DIE MUSIK IN UNS - IN MIR hat mir sehr gefallen. Das heißt nicht, dass mir sonst nichts gefiel, im ersten Augenschein sogar sehr viel. Liebe Grüße Wolfgang